Rosenberggürtel 12: SS-Ärztliche Akademie

Ab Oktober 1940 kamen meist voll ausgebildete Offiziere aus dem gesamten Deutschen Reich nach Graz, um hier die „Führerlaufbahn“ eines SS-Arztes, SS-Zahnarztes oder SS-Apothekers der Waffen-SS einzuschlagen. Am Rosenberggürtel waren sie kaserniert, für ein Kolleggeld von 50 RM erhielten sie Besoldung, freie Verpflegung und Unterkunft in Ein- und Zweibettzimmern. Das medizinische Studium absolvierten sie regulär an der Grazer Universität, der Fakultät gehörten drei SS-Ärzte als Dozenten an.

In der SS-Ärztlichen Akademie bekamen insgesamt etwa 200 SS-Männer die ideologische Ausbildung einerseits, andererseits eine in Sport und Fremdsprachen. Sport beinhaltete Fechten, Reiten, Autofahren, Leichtathletik und Skilauf, für letzteres stand eine Hütte in den Hohen Tauern zur Verfügung. Als Fremdsprachen wurden Italienisch, Französisch, Englisch und „Balkansprachen“ gelehrt, die Dolmetscherprüfung in einer dieser Sprachen war erwünscht. Die „Führerlaufbahn des SS-Arztes“ erforderte strenge Vorbedingungen: die „SS-Tauglichkeit“, die Reifeprüfung und die halbjährige Ausbildung mit der Waffe, ebenso lange dauerte der Kurs an der „SS-Unterführerschule“, gefolgt von einem neunmonatigen Lehrgang an einer „SS-Junkerschule“.

Seit Herbst 1940 befand sich hier die SS-Ärztlichen Akademie, an der rund 100 angehenden SS-Ärzte studierten. Angeblich sollen sie einen Teil ihrer Ausbildung bzw. des Praktikums im Krankenrevier des KZ Dachau absolviert haben.

Kurztext von Dr. Halbrainer, mehr im Rundgangsführer:
Heimo Halbrainer: Terror und Erinnerung.
NS-Institutionen und Orte des Widerstands im Bezirk Geidorf.

Die Zeitung Steirerland von 1. November 1940 berichtete: Rund um den Schloßberg. Die Gauhauptstadt erzählt: Graz ist nun Sitz der SS-Ärztlichen Akademie geworden. Schon 1938 sprach Reichsführer-SS Himmler den Wunsch aus, die im Jahre 1938 gegründete SS-Ärztliche Akademie von Berlin wegzuverlegen. Durch Unterstützung des Gauleiters und Reichsstatthalters Dr. Uiberreither, des Regierungspräsidenten Dr. Müller-Haccius und des Gauhauptmanns Dr.Ing. Dadieu konnten die letzten Schwierigkeiten überwunden werden. Mit Semesterbeginn wurde die SS-Ärztliche Akademie in Graz eröffnet. Ihr Sitz ist das bisherige Taubstummeninstitut am Rosenberggürtel.

Nach Abschluss des Studiums erfolgte das einjährige Praktikum in einem SS-Lazarett. Angeblich sollen sie einen Teil ihrer Ausbildung bzw. des Praktikums im Krankenrevier des KZ Dachau absolviert haben: Die zukünftigen Eliteärzte erledigten im Rahmen der anatomischen Ausbildung kriminalbiologische Aufgaben im KZ Dachau. Zwischen Mai 1941 bis Ende 1942 wurden ungefähr 500 gesunde Häftlinge von Studenten oder Absolventen der Grazer Akademie als Experimentiermaterial zu Übungszwecken operiert, wobei viele unmittelbar oder an den Folgen verstarben.

Insgesamt konnten nur rund 15 Personen das Studium in Graz abschließen – die meisten 1945, bevor die Akademie noch vor Kriegsende geschlossen wurde.

Noch heute hängt am Ulrichsberg in Kärnten eine Marmortafel, die von ehemaligen Angehörigen der SS-Akademie gestiftet wurde. Sie erinnert noch heute an die „gefallenen, vermißten und nach Kriegsende gewaltsam zu Tode gekommenen Ärzte, Schwestern und Sanitätsdienstgraden beider Weltkriege und der Abwehrkämpfe“.

Quellen:

„Graz ist nun der Sitz der SS-ärztlichen Akademie geworden.“ Steirerland, 1. November 1940, S. 4. ÖNB, ANNO Historische österreichische Zeitungen und Zeitschriften.

Der Standard: Das verschwiegene Grazer Erbe: NS-Medizin. vom 29. November 2000

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